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Tinnitus: Ursachen, Diagnose, Behandlung

Mit über 11 Millionen Betroffenen ist Tinnitus ein relevantes und für viele Menschen sehr aufreibendes Phänomen. Denn ein andauerndes Ohrengeräusch kann zu einer psychischen Belastung werden und stellt Betroffene oft auf eine harte Probe. Im Folgenden stellen wir Ihnen die Grundlagen, Ursachen und wichtige Aspekte der Behandlung von Tinnitus vor.

Was ist ein Tinnitus?

Der Begriff Tinnitus stammt vom Lateinischen "tinnire" (= klingeln, klimpern, schellen) ab und bezeichnet ein Symptom, bei dem Betroffene ständig Geräusche hören, für die es keine äußeren Schallquellen gibt. Dabei kann der Tinnitus, auch Ohrensausen genannt, einseitig, beidseitig oder als "im Kopf entstehend" wahrgenommen werden. Allein in Deutschland sind mehr als 11 Millionen Menschen von Tinnitus betroffen.

Störung der sensiblen Sinneszellen im Ohr

Wie Ohrgeräusche entstehen, konnte noch nicht eindeutig geklärt werden. Durchblutungsstörungen sowie generell Störungen im Innenohr werden als einer der Hauptauslöser für einen Tinnitus vermutet. Durch eine Schädigung der feinen Hörsinneszellen, die normalerweise für einen reibungslosen Höreindruck verantwortlich sind, werden fehlerhafte Höreindrücke vom Ohr zum Gehirn übermittelt, die sich dort festsetzen und verselbstständigen. Der Betroffene hört ein Störgeräusch. Gleichzeitig kommt es zu einer Hörverschlechterung.

Um diese wieder auszugleichen, können die an der Hörverarbeitung beteiligten Nervenzellen plötzlich überaktiv reagieren. Bei manchen Menschen kann es sein, dass diese spontane Überaktivität für eine längere Zeit bestehen bleibt, also die Nervenzellen weiterhin überaktiv sind, obwohl keine Störung des Hörorgans vorliegt, und so fehlerhafte Höreindrücke weitergegeben werden.

Außerdem vermuten Mediziner, dass die inneren Filtermechanismen, die bei einem gesunden Ohr störende Geräusche abfangen, durch einen Defekt im Hörorgan durcheinandergeraten. Auf diese Weise können fehlerhafte Schallquellen ungestört ins Hörzentrum des Gehirns und damit ins Bewusstsein gelangen.

Bei jedem klingt es anders

Ein Tinnitus kann sich auf unterschiedliche Art und Weise äußern. Er kann wechselnd zu verschiedenen Tageszeiten lauter oder leiser auftreten, wieder verschwinden oder ein Dauerton sein. Zudem berichten viele Betroffene, dass ihre Ohrgeräusche häufig durch bestimmte äußere Faktoren wie Stress, körperliche Anstrengung oder Alkoholgenuss verstärkt werden.

Normalerweise ist ein Tinnitus nur vom Betroffenen selbst wahrnehmbar, daher auch die Bezeichnung "subjektiver Tinnitus". Das heißt, nur der Betroffene selbst kann das Geräusch im Ohr hören, eine äußere Schallquelle existiert nicht. Im Gegensatz dazu muss der "objektive Tinnitus" unterschieden werden, bei dem tatsächlich eine (körpereigene) Geräuschquelle vorliegt. Typisch für den objektiven Tinnitus ist ein pochendes oder pulsartiges Geräusch, das häufig aufgrund einer Gefäßerkrankung (verengte Blutgefäße bzw. Arterien, die in der Nähe des Ohrs liegen) entsteht. Die objektive Form tritt allerdings nur sehr selten, in einem von hundert Fällen, auf.

Des Weiteren kann das Ohrenrauschen in unterschiedliche Arten (akuter und chronischer Tinnitus) und Schweregrade (Grad 1 für leichte Beeinträchtigung bis Grad 4 für schwerste Beeinträchtigung) unterteilt werden. Dauern die Ohrgeräusche nicht länger als drei Monate an, spricht man von einem akuten Tinnitus. Ein chronischer Tinnitus dauert hingegen länger als drei Monate und klingt selten wieder von alleine ab.

Ursachen: Häufige Auslöser von Tinnitus

Das eigene Wohlbefinden hat einen sehr großen Einfluss auf die Entwicklung von Ohrensausen. Dauerstress, belastende Lebensereignisse, Depressionen und Angststörungen gelten neben Lärm und Durchblutungsstörungen im Ohr als eine der häufigsten Ursachen für einen akuten oder chronischen Tinnitus. Zudem tritt das Ohrgeräusch oft auch als Begleitsymptom von bestimmten Erkrankungen auf oder durch Verletzungen und Entzündungen im Mittel- und Innenohr.

Häufige Auslöser für einen akuten Tinnitus, der meist plötzlich auftritt, sind:

Verschluss des Gehörgangs

Bei manchen Menschen produziert der Körper zu viel Ohrenschmalz, weshalb sich im Laufe der Zeit ein harter Ohrenschmalzpfropf im Ohr bildet, der den Gehörgang verstopfen kann. Dies führt dazu, dass der Betroffene plötzlich schlechter hört und sich ein unangenehmes Druck- oder Schmerzgefühl im Ohr einstellt. Zudem kann die Ansammlung von zu viel Ohrenschmalz einen Tinnitus begünstigen. Auch andere Fremdkörper im Ohr können Ohrengeräusche verursachen.

Entzündungen und Verletzungen in Mittel- und Innenohr

Ein gewöhnlicher Schnupfen bzw. eine stark verstopfte Nase reicht aus, um einen Tinnitus auszulösen. Da die Schleimhaut nun viel mehr Sekret produziert als sonst, verstopft der Verbindungsgang (Tube) zwischen Nasen-Rachen-Raum und Mittelohr und schwillt zu. Dies kann zu Ohrengeräuschen führen. Außerdem kann auch eine akute oder bereits chronisch gewordene Mittelohrentzündung einen Tinnitus mit starken Ohrenschmerzen auslösen.

Manchmal entzündet sich das Innenohr auch infolge einer Mittelohrentzündung, wodurch Krankheitserreger in den Innenohrraum vordringen und eine Innenohrentzündung mit heftigen Ohrenschmerzen, Tinnitus, Schwindelgefühlen und Fieber auslösen. Auch über Verletzungen und Tumore können Krankheitserreger in den Innenohrraum vordringen und eine akute Mittelohrentzündung mit Eiterbildung hervorrufen.

Im schlimmsten Fall kann sogar das Trommelfell einreißen, da es dem Druck des angesammelten, eitrigen Sekrets im Mittelohr nicht mehr standhält. Zudem kann auch eine Nasennebenhöhlenentzündung auf das Mittel- oder Innenohr übergehen oder eine Kopfverletzung zu einer Schädigung des Mittel- und Innenohrs führen.

Trommelfellverletzung, Schwerhörigkeit und Hörsturz

Weitere Ursachen für Ohrensausen können Verletzungen (z.B. durch Riss oder Durchlöcherung) des Trommelfells sein, knöcherne Vorsprünge (Exostosen) im Gehörgang sowie Knochenerkrankungen an Mittel- und Innenohr (Otosklerose). Des Weiteren tritt ein Tinnitus oft im Zusammenhang mit einer Schwerhörigkeit oder einem Hörsturz auf. Auch ein Knall- und Explosionstrauma kann aufgrund der Schallschwingung die feinen Härchen im Ohr umbiegen und zu einer bleibenden Hörstörung (Tinnitus) führen.

Seltene Ursachen: Menière-Krankheit und Akustikusneurinom

Die Menière-Krankheit, eine relativ seltene Innenohrerkrankung, kann, ebenso wie Multiple Sklerose, mit einem Tinnitus einhergehen. Für die Krankheit typisch sind Symptome wie Drehschwindelanfälle, Übelkeit und Erbrechen, begleitet von einer allgemeinen Hörverschlechterung. Die Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche können sogar chronisch werden. Ohrensausen kann auch äußerst selten durch einen Tumor am Hörnerv verursacht werden. Die Geschwulst drückt dann auf den Hörnerv und kann sich im Innenohr ausbreiten.

Baro-Krankheit und Taucherkrankheit

Veränderte Druckverhältnisse im Ohr zum Beispiel beim Fliegen oder Tauchen führen recht häufig zu Ohrensausen und/oder einer Hörminderung. Steigt das Flugzeug nämlich, sinkt der Umgebungsdruck. Der Druck im Ohr bleibt jedoch gleich, wodurch es zu einem massiven Druckgefühl (Überdruck) im Mittelohr kommt. Außerdem können bestimmte Drucklufterkrankungen wie die Caissonkrankheit, auch Taucherkrankheit genannt, oder die Baro-Krankheit, bei der es durch eine schnelle Druckveränderung im Mittelohr zu einer schmerzhaften Trommelfellverletzung kommt, unser Hörorgan schädigen und mit unangenehmen Ohrgeräuschen und Ohrenschmerzen einhergehen.

Neben Störungen im Ohr selbst gibt es noch weitere mögliche Ursachen für einen Tinnitus:

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ein Tinnitus tritt manchmal im Rahmen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Da unser Hörorgan über den Blutkreislauf mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden muss, um zu funktionieren, hängt die Gesundheit unserer Ohren auch von einem gut funktionierenden und ausgeglichenen Stoffwechsel ab. Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) oder Herzrhythmusstörungen zum Beispiel können mit Ohrensausen einhergehen. Ebenso können sich ein zu hoher oder niedriger Blutdruck (Hypertonie, Hypotonie), Blutarmut und Stoffwechselstörungen (Diabetes, Fettstoffwechselprobleme) auf die Durchblutung des Gehirns auswirken und Ohrgeräusche auslösen.

Orthopädische Ursachen

Manchmal kann ein Tinnitus infolge von Verspannungen zum Beispiel des Nackens, Kiefers und der Kaumuskulatur entstehen oder durch eine Verletzung der Halswirbelsäule (Schleudertrauma) auftreten. Grund dafür ist, dass die Halsmuskulatur bzw. die Kiefergelenke über ein feines Nervengeflecht mit unseren Ohren verbunden sind. Zwischen Kiefergelenk, Nackenmuskulatur und Ohren besteht sozusagen eine gewisse Wechselwirkung. Wer unter einem ständig wiederkehrenden Tinnitus leidet, sollte eventuell auch den Zahnarzt zurate ziehen: Gebissfehlstellungen, nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) oder ein schmerzender Weisheitszahn könnten die Ursache sein.

Medikamente

Eine ganze Reihe von Medikamenten kann als Nebenwirkung Ohrgeräusche auslösen. Dazu gehören unter anderem bestimmte Schmerz- und Rheumamedikamente, Bluthochdruckmedikamente (Betablocker), Medikamente zur Chemotherapie, Entwässerungsmittel (Diuretika) und Medikamente zur Behandlung von Depressionen (insbesondere trizyklische Antidepressiva).

Des Weiteren kommen spezielle Antibiotika (wie Aminoglykoside), Chloroquin, ein Mittel gegen Malaria, und die Anti-Baby-Pille als Auslöser infrage. Auch das bekannte Schmerzmittel Acetylsalicylsäure (z.B. in Aspirin enthalten) kann als Nebenwirkung Tinnitus bewirken, allerdings ist dafür eine sehr hohe Dosierung notwendig.

Arteriosklerose

Pochende Geräusche im Ohrbereich („pulssynchrones Pochen“) können auf einen zu hohen Blutdruck hindeuten, der zum Beispiel durch eine Gefäßverkalkung und -verengung (Arteriosklerose) ausgelöst wird. Das Blut muss mit erhöhtem Druck durch die Arterien gepumpt werden, weshalb sich der Druck in den Arterien erhöht. Das kann bei Blutgefäßen, die in der Nähe des Hörorgans liegen (z. B. Halsschlagader) zu Ohrgeräuschen führen.

Stress und Tinnitus

Stress, sowohl körperlicher als auch seelischer, kann zwar nicht direkt einen Tinnitus auslösen, diesen aber begünstigen. Dies ist sogar relativ häufig der Fall, denn Dauerstress, depressive Verstimmungen oder kritische Lebensereignisse belasten nicht nur die Psyche, sondern auch das Hörsystem. Die Ohrgeräusche können sozusagen als eine Art "Hilfeschrei der Seele" verstanden werden. Generell lässt sich sagen, dass die eigene psychische Verfassung einen sehr großen Einfluss auf die Entwicklung eines Tinnitus hat.

Chronischer Tinnitus: Seelische und körperliche Überforderung

Bei vielen Patienten mit chronischem Tinnitus stellt das andauernde Ohrensausen selbst einen wesentlichen Stressfaktor dar. Durch das ständige Piepsen, Brummen oder Summen im Ohr fällt es den Betroffenen meist schwer, sich zu entspannen oder sich auf etwas anderes als den Tinnitus zu konzentrieren. Die Ohrgeräusche sind sozusagen überpräsent und wecken negative Assoziationen wie Angst, Kontrollverlust und Hilflosigkeit gegenüber dem Tinnitus. Mögliche Folgen können Einschlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Depressionen und Angststörungen sein.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Tinnitus massive Auswirkungen auf alle Lebensbereiche der Betroffenen hat und mit einem hohen Leidensdruck (dekompensierter Tinnitus) einhergeht. Bei der Therapie kann daher die medizinische Behandlung mit der psychotherapeutischen Beratung gleichbedeutend sein.

Darüber hinaus kann ein Tinnitus auch als Folge einer psychischen Erkrankung (Angststörung, Depression) hervorgehen. Das seelische und das körperliche Leiden verstärken sich dann gegenseitig.

Der Vollständigkeit halber sollte gesagt werden, dass es auch viele Betroffene gibt, die gelernt haben, mit den Ohrgeräuschen gut umzugehen und diese dadurch kaum mehr wahrnehmen (kompensierter Tinnitus).

Diagnose eines Tinnitus

Nach einem Konzertbesuch oder einem Besuch im Fußballstadion zum Beispiel können die Ohren für einige Zeit lang "klingeln". In diesem Fall sollte man seinen Ohren ausreichend Ruhe gönnen und sie vor weiteren Lärmquellen schützen. Normalerweise erholen sich die feinen Haarsinneszellen im Ohr nach 24 Stunden wieder vollständig von allein. Es kann aber auch bis zu drei Tage lang dauern, bis die Ohren wieder "normal" funktionieren.

Falls die Ohrgeräusche jedoch länger als drei Tage andauern oder der Tinnitus immer wieder zurückkehrt, sollten Betroffene unbedingt einen HNO-Arzt aufsuchen, um die möglichen Ursachen dafür abzuklären. Zudem kann der Arzt im Notfall sofort mit einer entsprechenden Therapie beginnen. Generell gilt: Je früher mit einer Therapie begonnen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ohrensausen wieder verschwindet.

Detaillierte Fragen und viele Untersuchungen

Zur Diagnose von Tinnitus wird der HNO-Arzt eine Reihe gezielter Fragen stellen: Wann ist der Tinnitus zum ersten Mal aufgetreten? Wie hört er sich an? Verstärkt sich das Geräusch in bestimmten Situationen? Zudem wird der Facharzt feststellen, um welchen Tinnitus es sich genau handelt (subjektiv oder objektiv). Im Anschluss an das Erstgespräch erfolgt eine Reihe von Untersuchungen. Die körperliche Untersuchung verläuft in mehreren Schritten und ist wichtig, um die möglichen Ursachen für die Ohrgeräusche einzugrenzen.

Als Erstes wird der HNO-Arzt mittels Ohrmikroskop den äußeren Gehörgang und das Trommelfell untersuchen. Außerdem werden die Nase und der Rachenraum durchleuchtet sowie der Blutdruck des Patienten gemessen. Des Weiteren ist es möglich, dass der Arzt die Halsarterien mit einem Stethoskop auf krankhafte Strömungsgeräusche hin abhört, um weitere Grunderkrankungen auszuschließen.

Testung des Hörvermögens

Im Anschluss wird meistens das Hörvermögen des Tinnitus-Patienten überprüft. Dies geschieht mit einem sogenannten Tonschwellenaudiogramm. Für die Untersuchung nimmt der Patient in einem abgeschirmten Raum Platz und setzt sich Kopfhörer auf. Anschließend werden über die Kopfhörer Töne in bestimmten Frequenzen – erst nur an einem Ohr, dann nur am anderen – abgespielt. Die Töne sind zu Beginn leise und werden nach und nach, in 5-Dezibel-Schritten, immer lauter, bis sie der Patient wahrnimmt. Per Knopfdruck signalisiert er, wann er einen Ton hört. Die Hörschwelle zeigt sozusagen an, bei welcher Tonhöhe und bei welcher Lautstärke der Patient ein akustisches Signal gerade noch hören kann. Nachdem die Angaben des Patienten in einem Diagramm erfasst sind, ergibt sich für jedes Ohr eine Hörkurve. Sind die Kurvenverläufe unterschiedlich, kann dies ein Anzeichen dafür sein, dass eine Schwerhörigkeit auf einem Ohr vorliegt.

Untersuchung der Nerven und genaue Analyse des Tinnitus

Ein weiteres häufig eingesetztes Verfahren, mit dem der HNO-Arzt einen (gutartigen) Tumor am Gehörnerv oder eine entzündliche Hörnervenerkrankung ausschließen kann, ist die Hirnstammaudiometrie, kurz BERA (für Brainstem Electric Response Audiometry). Bei der Untersuchung wird die Hörnervenleitgeschwindigkeit (d.h. die Aktivität der am Hörvorgang beteiligten Nerven) des Patienten gemessen.

Bei der Tinnitusanalyse werden verschiedene Töne eingespielt, die der Patient mit seinem eigenen Ohrgeräusch vergleichen muss. Zusätzlich kann der Arzt durch einen weiteren Test feststellen, ob sich der Tinnitus durch andere Geräusche verdecken (“maskieren“) lässt. Hierfür muss der Arzt die Lautstärke und Frequenz der überdeckenden Töne ermitteln.

Abhängig vom Patienten kann der Arzt noch weitere Untersuchungen wie Gleichgewichtsprüfungen, Computertomografie von Ohr und Gehirn sowie Herz-und-Kreislauf-Tests oder eine Blutabnahme vornehmen. Zudem ist es möglicherweise erforderlich, den Patienten zur weiteren Abklärung an einen anderen Spezialisten (z.B. Orthopäden, Zahnarzt, Neurologen) weiterzuleiten.

Außerdem: Betroffene, die durch Ihre Ohrgeräusche sehr stark belastet sind, sollten nach der HNO-Untersuchung einen Psychotherapeuten aufsuchen. Dieser kann in einem persönlichen Gespräch den Schweregrad des Tinnitus einstufen und gegebenenfalls weitere Schritte einleiten.

Behandlung

1. Behandlung eines akuten Tinnitus

Je nach dem, ob es sich um einen akuten oder chronischen Tinnitus handelt, können verschiedene Behandlungsverfahren zum Einsatz kommen. Halten die Ohrgeräusche länger als 24 Stunden an, sollten Sie auf jeden Fall einen HNO-Arzt aufsuchen. Denn je früher ein akuter Tinnitus behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.

Infusionen und Tabletten

Ein akuter Tinnitus ohne erkennbare (organische) Ursache wird in der Regel durch Medikamente in Form von Infusionen oder Tabletten behandelt. Während man früher fast ausschließlich zu durchblutungsfördernden Medikamenten gegriffen hat, kommen heutzutage meist Kortisonpräparate wie Prednisolon (ein chemisch "nachgebautes" körpereigenes Hormon) zum Einsatz. Ziel ist es, den Zellstoffwechsel in den Hörsinneszellen und die elektrische Leitfähigkeit der Hörbahnen zu verbessern.

Ein Hörsturz wird ebenfalls durch die Gabe von Kortisonpräparaten (seltener durch durchblutungsfördernde Medikamente) behandelt. Um die akuten Beschwerden schnell zu lindern, wird dem Patienten das Kortison meist direkt, mittels einer Injektion in die Blutbahn gespritzt oder auch per Infusion verabreicht. Je nach Ursache leitet der Arzt die entsprechende Therapie ein.

Ein Knall- oder Explosionstrauma und eine akute Lärmschädigung bedürfen ebenfalls einer umgehenden Behandlung mit Infusionen. Lassen sich durch die Medikamente die Beschwerden nicht lindern (d.h. verschwinden Ohrensausen und Schwerhörigkeit nicht), kann eventuell eine hyperbare Sauerstofftherapie helfen.

Wichtig: Eine medikamentöse Therapie verspricht nur in den ersten zwei bis drei Monaten nach Auftreten des Tinnitus Chancen auf Heilung. Bleiben die Symptome weiterhin bestehen oder handelt es sich bereits um einen chronischen Tinnitus, kommen andere Therapiemöglichkeiten (u.a. Behandlungen mit Hörgeräten und gezielte Tinnitus-Therapien) zum Einsatz.

Hyperbare Sauerstofftherapie – ein sinnvolles Verfahren?

Eine Sauerstoffüberdrucktherapie, auch hyperbare Oxygenation (HBO) genannt, wird häufig dann eingesetzt, wenn sich die Ohrgeräusche nicht mit Medikamenten behandeln lassen. Für die Behandlung nimmt der Patient in einer Druckkammer Platz, in der ein gewisser Überdruck erzeugt wird (entspricht in etwa einem Überdruck, wie er ca. in 18 Metern Wassertiefe herrscht). Anschließend setzt der Patient eine Maske auf und atmet reinen Sauerstoff ein. Durch die Sauerstofftherapie sollen die geschädigten Sinneszellen wieder besser durchblutet und mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden, um sich zu erholen. Eine Sauerstofftherapie ist allerdings, wenn überhaupt, nur 30 bis 90 Tage nach Auftreten eines akuten Tinnitus sinnvoll. Wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise für die Therapie gibt es keine.

2. Therapien bei chronischem Tinnitus

Ein chronischer Tinnitus, der sich im Ohr festgesetzt hat, lässt sich am besten durch die Kombination meherer Therapieformen behandeln, wobei alle Verfahren das gleiche Ziel verfolgen: den störenden Höreindruck zu verdrängen. Das kann zum Beispiel durch das Tragen von speziellen Hörgeräten, auch "Rauscher" oder "Masker" genannt, geschehen.

Sehr gute Behandlungserfolge versprechen des Weiteren alle psychotherapeutischen Methoden, die dabei helfen, Stress abzubauen und die körperliche und geistige Entspannung fördern. Bei Patienten, die unter einer sehr schweren Tinnitus-Form leiden, kann außerdem der Aufenthalt in einer Tinnitus-Klinik erforderlich sein.

Tinnitus-Counseling

Ein chronischer Tinnitus ist nur selten heilbar. Das heißt, Patienten, bei denen der Tinnitus zum ständigen Begleiter geworden ist, müssen lernen, mit ihren Ohrgeräuschen besser umzugehen. Viele HNO-Ärzte und Psychotherapeuten bieten spezielle Tinnitus-Sprechstunden an, in denen Betroffene umfassend über die Entstehung von Tinnitus und dessen Auswirkungen auf Körper und Seele aufgeklärt werden. Diese Form der Beratung und Aufklärung wird auch Tinnitus-Counseling genannt.

Biofeedback

Muskel-Biofeedback ist ein Verfahren, das bei Tinnitus relativ häufig angewendet wird. Es ist eine Abwandlung des klassischen Biofeedbacks und wird häufig bei Patienten eingesetzt, die unter Fehlhaltungen oder Muskelverspannungen im Nacken- und Kieferbereich leiden. Durch ein spezielles Biofeedback-Gerät kann der Patient den Spannungszustand seiner Muskeln auf einem Bildschirm sehen oder akustisch hören. Gleichzeitig versucht er nun, seine Muskulatur zu entspannen. In mehreren Sitzungen lernt der Betroffene, seinen Körper in stressigen Situationen besser zu kontrollieren und einen gewünschten Gemütszustand bewusst herbeizuführen. Eine weiterentwickelte Form des Biofeedbacks ist das sogenannte Neurofeedback, das gerade in den letzten Jahren immer mehr zum Einsatz kommt.

Kognitive Verhaltenstherapie

Eine Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie kann Betroffenen helfen, mit ihrem Tinnitus besser umzugehen. Ziel der Therapie ist es, dass Patienten ihre negative Einstellung gegenüber dem Tinnitus ändern, sodass dieser im Alltag als weniger bedrohlich erlebt wird. Die Verhaltenstherapie verspricht gute Erfolge und wird meist in Kombination mit weiteren Behandlungsprogrammen wie zum Beispiel der Tinnitus-Retraining-Therapie angewandt.

Tinnitus-Retraining-Therapie

Mit Hilfe der Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) lernt der Patient, die Ohrgeräusche bewusst auszublenden. Es ist eine Art „Verlern-Programm“ (daher auch der Name „Re-Training“ von engl. retrain = zurücktrainieren), bei dem der Betroffene lernt, die inneren Töne als nicht mehr störend wahrzunehmen, bis diese schließlich ganz aus dessen Bewusstsein verschwinden. Außerdem werden bei der TRT-Langzeittherapie unterschiedliche Behandlungsformen miteinander kombiniert, die das Zusammenarbeiten mehrerer Spezialisten wie HNO-Arzt, Psychologe, Verhaltenstherapeut, Entspannungstrainer und Hörgeräteakustiker erfordern.

Tinnitus-Masker/Noiser

Ein Tinnitus-Masker oder Tinnitus-Noiser ist ein Gerät, das speziell zur Tinnitus-Behandlung entwickelt wurde und im Rahmen der TRT zum Einsatz kommt. Das Gerät erzeugt ein leises Geräusch (daher auch Rauschgerät), zum Beispiel ein Meeresrauschen, das den Patienten von seinem Tinnitus ablenken oder diesen überdecken soll. Ziel ist, dass der Betroffene dem Tinnitus nur mehr wenig (bis gar keine) Aufmerksamkeit schenkt und das Störgeräusch ausblendet, sodass es nach und nach aus dem Bewusstsein verschwindet.

Das Rauschgerät wird wie ein Hörgerät im Ohr eingesetzt oder kann auch hinter dem Ohr getragen werden. Ein Trainingseffekt kann sich schon nach zwei Monaten einstellen - oder aber erst nach zwei Jahren. Eine Garantie dafür, dass das Tragen eines Tinnitus-Maskers oder Noisers die Ohrgeräusche ganz verschwinden lässt, gibt es leider nicht.

Musiktherapie

Musik wird häufig als begleitende Maßnahme zur Tinnitus-Behandlung eingesetzt. Bei der Therapie können verschiedene musiktherapeutische Vorgehensweisen zur Anwendung kommen wie zum Beispiel Resonanzübungen. Dabei versucht der Betroffene, seinen persönlichen Tinnituston so genau wie möglich nachzusingen, während der Therapeut die Frequenz des Tons mithilfe eines speziellen Geräts (Sinusgenerator) ermittelt. Anschließend halbiert der Therapeut die Schwingungsanzahl des Tons, wodurch ein neuer Ton entsteht, den der Patient nun nachsingen muss. Der "ähnliche" Ton soll die Hörnerven und das Hörzentrum im Gehirn anregen.

Die positive Wirkung von Resonanzübungen konnte bereits durch Studien an der Fachhochschule Heidelberg belegt werden. Bei fast 80 Prozent der Testpersonen ließen sich die Symptome verbessern, wobei die Wirkung mindestens drei Monate lang anhielt.

Außerdem vermuten Wissenschaftler an der Uni Münster, dass sich vor allem klassische Musikstücke mit einem großen Frequenzspektrum positiv auf einen Tinnitus auswirken können.

Tinnitus-Kliniken

Für viele Menschen stellt das Ohrgeräusch eine große psychische und körperliche Belastung dar. Soziale Isolation, Vereinsamung, Angsterkrankungen und Depressionen können die Folge sein. Im schlimmsten Fall kann ein Tinnitus sogar so unerträglich werden, dass der Betroffene deswegen einen Suizid begeht.

Für Betroffene, die einen sehr starken Leidensdruck verspüren, ist auf jeden Fall der Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik ratsam. In Deutschland gibt es mittlerweile mehrere Kliniken, die sich auf die Behandlung von Tinnitus spezialisiert haben. In einer Langzeittherapie lernen Betroffene, anhand verschiedener Behandlungsmethoden besser mit ihrem Tinnitus umzugehen.

Selbsthilfe: Was hilft gegen Tinnitus?

Ohrgeräusche, auch wenn sie nur gelegentlich auftreten, sind immer ein Warnzeichen des Körpers, dass etwas aus dem Ruder läuft. Vor allem Dauerstress und permanente Überforderung im Beruf oder Alltag können auch das Hörsystem unter Druck setzen und die Entstehung eines Tinnitus begünstigen. Für Menschen, die immer wieder unter Ohrensausen leiden, ist es daher besonders wichtig, rechtzeitig Strategien zur Stressbewältigung zu lernen. Oft reicht schon das Einhalten mehrerer kurzer Pausen am Tag aus, um Stress abzubauen.

Bei gelegentlichen Ohrgeräuschen: 24-Stunden-Regel einhalten

Wenn der Tinnitus plötzlich (akut) auftritt oder immer wieder in kürzeren Abständen auftaucht, sollten Sie unbedingt innerhalb von 24 Stunden einen HNO-Facharzt aufsuchen, um die mögliche Ursache dafür abzuklären. Dies gilt vor allem auch dann, wenn der Tinnitus mit weiteren Beschwerden wie Hörverschlechterung und Schwindel einhergeht. Dann nämlich kann der er als Begleiterscheinung eines Hörsturzes (oder einer Krankheit) auftreten, der sofort behandelt werden muss.

Bei chronischem Tinnitus: psychologische Hilfe einholen

Wenn sich der Tinnitus chronisch festgesetzt hat und Sie dauerhaft unter Ohrgeräuschen leiden, sollten Sie sich von Ärzten und Psychologen, die auf Tinnitus spezialisiert sind, ausführlich darüber informieren und beraten lassen. Wichtig ist es vor allem, dem Tinnitus so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken, damit er in den Hintergrund gedrängt wird und Sie nicht weiter quälen kann. Fragen Sie außerdem bei geschulten Fachleuten nach, welche Therapiemaßnahmen Ihnen dabei helfen können.

Was man selbst gegen Tinnitus tun kann

  • Sorgen Sie für (akustische) Ablenkung: Absolute Stille kann dazu führen, dass sich der Betroffene noch stärker auf das Ohrgeräusch konzentriert und es stärker wahrnimmt.
  • Stressbewältigung: Besuchen Sie Kurse, in denen Sie lernen, besser mit Stress umzugehen. Yoga, autogenes Training, Qi Gong, Mediation sowie Kurse zu Stressmanagement und Life-Balance können dazu beitragen, besser mit Stress umzugehen.
  • Unterstützung durch Selbsthilfegruppen: Oft kann es Betroffenen helfen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.
  • Auf gesunde Lebensweise achten: Schlafen Sie viel und treiben Sie regelmäßig Sport. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist außerdem bedeutsam, damit die Haarzellen im Innenohr mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt werden.
  • Lärmschutz: Vermeiden Sie laute Musik und Lärm und tragen Sie zum Beispiel bei einem Konzertbesuch Ohrenstöpsel, um den Lärm abzumildern.
  • Psychotherapeutische Beratung: Suchen Sie einen Experten auf, um zu lernen, wie Sie mit dem Tinnitus besser umgehen können

Quellen:

  • S3-Leitlinie "Chronischer Tinnitus", online unter www.awmf.org (zuletzt aufgerufen: 5. September 2019).
  • Deutscher Schwerhörigenbund e.V., Ratgeber "Mit Tinnitus leben", online unter www.schwerhoerigen-netz.de (zuletzt aufgerufen: 5. September 2019).
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